Über den Werkstoff
Kohlenstoff- und Werkzeugstähle sind klassische metallische Konstruktionswerkstoffe mit breiter industrieller Bedeutung. Sie unterscheiden sich hauptsächlich durch ihren Kohlenstoffgehalt sowie durch Art und Anteil zusätzlicher Legierungselemente.
Kohlenstoffstähle – etwa unlegierte Baustähle und Federstähle – decken ein breites Festigkeitsspektrum ab, abhängig vom C-Gehalt. Werkzeugstähle hingegen sind durch gezielte Legierungszusätze für höchste Härte und mechanische Belastbarkeit ausgelegt.
Beide Werkstoffgruppen lassen sich durch Wärmebehandlungen wie Härten, Anlassen oder Vergüten gezielt in ihren Eigenschaften einstellen.
Bei Studer-Biennaform werden diese Werkstoffe zu kaltgewalztem Präzisionsflachdraht verarbeitet – mit exakt definierten mechanischen Kennwerten. Typische Anwendungen sind Federn, Stanzteile und feinmechanische Komponenten, bei denen enge Toleranzen und zuverlässige Festigkeiten gefordert sind.
Kohlenstoffstähle
Kohlenstoffstähle enthalten je nach Sorte etwa 0,2 % bis über 0,8 % Kohlenstoff. Man unterscheidet:
- unter ca. 0,25 % C: niedriggekohlt
- ca. 0,25–0,6 % C: mittelgekohlt
- über ca. 0,6 % C: hochgekohlt
Der Kohlenstoffgehalt beeinflusst die Werkstoffeigenschaften wesentlich: Mit steigendem C-Gehalt nehmen Härte und Zugfestigkeit zu, während Zähigkeit, Duktilität und Schweissbarkeit abnehmen. Niedriggekohlte Stähle sind weich, zäh und gut schweissbar. Hochgekohlte Sorten erreichen nach dem Härten extreme Härtewerte über 60 HRC und bieten hohe Verschleissfestigkeit – allerdings bei verringerter Zähigkeit.
Unlegierte Kohlenstoffstähle enthalten keine nennenswerten Mengen an Chrom, Nickel oder anderen Legierungselementen. Entsprechend ist ihre Korrosionsbeständigkeit begrenzt – unbehandelt neigen sie zur Rostbildung. Durch geeignete Wärmebehandlungen wie Härten und Anlassen lassen sich Gefügezustände wie Martensit, Bainit oder Perlit einstellen, um Festigkeit und Zähigkeit gezielt anzupassen.
Dank ihrer Vielseitigkeit und Wirtschaftlichkeit werden Kohlenstoffstähle in zahlreichen industriellen Bereichen eingesetzt – unter anderem für:
- Einfache mechanische Bauteile wie Bolzen, Achsen, Grundplatten
- Stanz- und Formteile
- Federanwendungen: z. B. C75, C100 oder – als legierter Federstahl – 51CrV4
- Druck-, Zug- und Blattfedern mit hoher Elastizität und Dauerfestigkeit (nach Wärmebehandlung)
- Kaltgewalzte Komponenten mit definierter Elastizität und Rückstellkraft: Federklammern, Sprengringe, Uhrfedern
- Zahnteile und Schneidwerkzeuge: Sägeblätter, Feilen, gehärtete Kanten
Durch ihre breite Eigenschaftsspanne und gute Verfügbarkeit sind Kohlenstoffstähle nach wie vor ein Grundpfeiler für den Maschinenbau, Fahrzeugbau und klassischen Stahlbau.
Werkzeugstähle
Werkzeugstähle sind speziell entwickelte Werkstoffe für die Herstellung von Werkzeugen und hochbeanspruchten Präzisionsteilen. Neben Kohlenstoff enthalten sie zusätzliche Legierungselemente wie Chrom, Vanadium, Molybdän oder Wolfram. Diese Elemente verbessern gezielt die Härtbarkeit, Warmfestigkeit, Verschleissbeständigkeit und Massstabilität.
Typische Eigenschaften von Werkzeugstählen sind sehr hohe Härtewerte nach dem Härten – über 60 HRC, bei Schnellarbeitsstählen sogar bis etwa 70 HRC. Sie weisen eine gute Warmfestigkeit auf und eignen sich für Anwendungen mit erhöhter thermischer Belastung. Die Verschleissbeständigkeit ist durch die gezielte Legierungszusammensetzung deutlich erhöht. Auch die Massstabilität bleibt nach Wärmebehandlung erhalten und sorgt für Formtreue bei mechanisch und thermisch belasteten Bauteilen.
Werkzeugstähle werden primär für Schneid-, Stanz- und Umformwerkzeuge eingesetzt, etwa für:
- Stempel, Matrizen, Abstreifer, Führungen und Messerklingen
- Präzisionskanten, Wellen, Zahnräder und andere stark belastete Funktionselemente
In kaltgewalzter Ausführung eignen sich Werkzeugstähle hervorragend für feinmechanische Komponenten, wie etwa:
- Uhrmacherfeilen
- Kleine Fräser
- Hochharte Federkontakte, Klingen und Präzisionsstifte
Auch der Wälzlagerstahl (siehe unten) zählt formal zur Gruppe der Werkzeugstähle.
Wälzlagerstahl
Wälzlagerstähle sind hochgekohlte Chromstähle mit besonders hoher Reinheit und Gefügehomogenität. Der klassische Vertreter ist 100Cr6 (Werkstoff-Nr. 1.3505), ein Stahl mit etwa 1,0 % Kohlenstoff und 1,5 % Chrom. Durch sekundärmetallurgische Verfahren wie das Vakuum-Degassieren wird der Anteil an nichtmetallischen Einschlüssen stark reduziert – ein entscheidender Faktor für die hohe Dauerfestigkeit dieses Werkstoffs.
Im gehärteten Zustand (ca. 60 HRC) bietet 100Cr6 eine hohe Härte, ausgezeichnete Verschleiss- und Kontaktfestigkeit sowie eine feine, gleichmässige Gefügestruktur mit kleinen Karbiden. Diese Struktur verbessert die Masshaltigkeit und sorgt für eine gleichmässige mechanische Belastbarkeit.
Wälzlager wie Kugel-, Rollen- oder Nadellager werden weltweit überwiegend aus 100Cr6 gefertigt. Darüber hinaus eignen sich Wälzlagerstähle für alle Bauteile, die unter dynamischer Druckbeanspruchung stehen und eine lange Lebensdauer erfordern. Typische Anwendungen sind Präzisionsachsen, Wellen, hochbelastete Kleinteile wie Bolzen und Ventilnadeln, Fühlhebel, Durchschläge oder Messzeuge wie Lehren.
In kaltgewalzter Form wird 100Cr6 auch zu hochpräzisen Flachdrahtprodukten verarbeitet – etwa für kleine Federclips oder Messerteile, bei denen enge Masstoleranzen und gezielt einstellbare mechanische Eigenschaften nach dem Härten gefordert sind.